Lichttherapie gegen den Winterblues

Eine echte Depression ist eine ernstzunehmende Krankheit, die von Fachleuten behandelt werden sollte. Der Winterblues trifft jedoch auch psychisch gesunde Menschen. Wenn die Tage kurz und grau sind, leiden zehn Prozent der Bevölkerung unter Stimmungstiefs. Eine Lichttherapie kann den Betroffenen erstaunlich rasch helfen.

Sind Sie im Winter oft müde, schleppen sich antriebslos durch die Tage und sind heisshungrig auf Kohlenhydrate und Süssigkeiten? Schuld daran ist möglicherweise das fehlende Tageslicht, das den Melatonin-Haushalt durcheinanderbringt. Melatonin ist ein Hormon, das in der Zirbeldrüse aus Serotonin hergestellt wird. Es steuert unseren Tag-Nacht-Rhythmus und wird bei Dunkelheit ausgeschüttet. Deswegen werden wir abends müde. Der Melatonin-Spiegel im Blut steigt gegen Abend an und erreicht mitten in der Nacht seinen Höhepunkt. In den frühen Morgenstunden fällt der Spiegel wieder ab, weil die Produktion durch das Licht gedrosselt wird. Wenn im Winter das Tageslicht abnimmt, bleibt der Melatonin-Spiegel auch tagsüber erhöht. Dies kann von Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und Müdigkeit bis zu einer Herbst-Winterdepression* führen.

Mittagsspaziergang
Im Falle einer Herbst-Winterdepression lassen sich die Symptome bekämpfen, wenn man den Lichtbedarf anderweitig deckt. Wer Anzeichen eines Winterblues bei sich feststellt, sollte sich so oft wie möglich im Freien bewegen und Tageslicht tanken. Empfohlen wird ein stündiger Spaziergang am Vormittag oder über den Mittag. Selbst an einem bedeckten Wintertag beträgt die Lichtstärke zu dieser Tageszeit 2000 bis 3000 Lux. Zum Vergleich: Eine gewöhnliche Bürobeleuchtung erreicht 50 bis 500 Lux.

Wirksame Behandlungsmethode
«Bei einem Winterblues oder einer Herbst-Winterdepression ist die Lichttherapie Behandlungsmethode erster Wahl», sagt Timur Steffen, Psychologe im Psychiatriezentrum Münsingen. Die Wirksamkeit der Lichttherapie sei gut belegt und werde individuell mit dem Arzt geplant. Die meisten Personen setzen sich ungefähr eine halbe Stunde nach dem Aufstehen während dreissig Minuten vor eine spezielle Therapieleuchte. Dabei können sie lesen, arbeiten oder essen. Hauptsache, die Augen sind geöffnet, damit die Netzhaut das Licht einfangen kann. «Studien haben nachgewiesen, dass das Licht in jeder Zelle unseres Körpers wahrgenommen wird. Der grösste Einfluss des Lichts auf die Zirbeldrüse erfolgt jedoch über die Augen. Die angeregte Melatoninausschüttung beeinflusst das limbische System. Dieses steuert unseren Antrieb, das Gedächtnis, die Emotionen sowie die vegetative Regulation wie Schlaf und Hunger», sagt Erika Jost, Oberärztin im Psychiatriezentrum Münsingen. Der Gang ins Solarium hilft nicht gegen den Winterblues. Bei diesem Licht handelt es sich nicht um das aktive, helle Licht, das dem Spektrum des Tageslichts entspricht. Ausserdem beinhaltet es schädliche UV-Strahlen. Therapieleuchten filtern dieses heraus.

Krankenkasse beteiligt sich
Bevor man eine Therapieleuchte kauft, sucht man am besten eine Hausarztpraxis auf. Dort können andere Krankheiten ausgeschlossen und allfällige Risiken wie Augenkrankheiten abgeklärt werden. Es gilt auch zu beachten, dass die Einnahme von bestimmten Medikamenten die Wirkung des Therapielichts verstärkt oder hemmt. Die Grundversicherung der Krankenkasse beteiligt sich an den Kosten für die Therapieleuchte, wenn der/die behandelnde Arzt/Ärztin eine saisonale Depression diagnostiziert.

Lichttherapiegeräte
Um eine Winterdepression mit einer halbstündigen Lichtbehandlung pro Tag wirksam zu therapieren, ist eine Beleuchtungsstärke von 10’000 Lx notwendig (ohne UV-Strahlen). «Wählt man ein Gerät, das lediglich eine Intensität von 2‘500 Lx leistet, muss man sich bis zu viermal länger dem Licht aussetzen, um eine vergleichbare Wirkung zu erzielen», sagt Timur Steffen. Selbst bei einer Beleuchtungsstärke von 10‘000 Lx ist eine längere Exposition nicht schädlich. So kann man sich ohne Bedenken tagsüber am Arbeitsplatz von einem Lichttherapiegerät beleuchten lassen. Die Lichttherapie-Experten im Psychiatriezentrum Münsingen empfehlen ein Lichttherapiegerät von Philips. Diese Leuchte überzeuge durch ein faires Preis- Leistungsverhältnis und einen sparsamen Energieverbrauch (LED). Sie ist ausserdem schön anzuschauen und lässt sich dank ihres geringen Gewichts von 3 kg gut transportieren. In einem Abstand von 50 bis 75 Zentimetern liefert sie während 30 Minuten Bestrahlungszeit genügend wirksames Licht für den Tagesbedarf.

Lichttherapie im Psychiatriezentrum Münsingen
Die Lichttherapie wird im Psychiatriezentrum Münsingen nebst der psychotherapeutischen, der medikamentösen Behandlung und weiteren Behandlungsangeboten auch bei anderen Formen der Depression eingesetzt. «Gerade Patienten und Patientinnen, die vor allem am Morgen an Antriebsschwäche leiden, erleben die Lichttherapie positiv. Sie sind deutlich motivierter, aufzustehen», berichtet Oberärztin Dr. med. Erika Jost. Weil nicht auszuschliessen sei, dass die Wirkung des Lichts manische Phasen auslöse, werde die Lichttherapie nicht bei bipolaren Störungen angewendet. «Sich möglichst viel draussen aufzuhalten und sich an der frischen Luft zu bewegen, gehört weiterhin zu den wichtigsten Massnahmen für einen gesunden Lebensstil.» sagt Erika Jost. Deshalb gehöre im Psychiatriezentrum Münsingen ein täglicher Spaziergang sowie Ausdauersport und Bewegungstherapie unverzichtbar in den Behandlungsplan depressiv erkrankter Menschen.

Buchtipp von Timur Steffen: Winterblues – Das Wohlfühlbuch gegen die Herbst- und Winterdepression, Hubertus Himmerich, Kreuz-Verlag

*Saisonal abhängige Depressionen (SAD) kommen auch im Sommer vor. Fachleute nennen die Herbst-Winterdepression ‚unipolare Winterdepression’.