Hilft gesunde Ernährung gegen den Winterblues?

Es ist nachweislich belegt, dass eine mediterrane Ernährung vor Herz- und Kreislauferkrankungen schützt. Neue wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass gesundes Essen auch dazu beitragen könnte, nicht an einer Depression zu erkranken. Im Winter sollte ausserdem darauf geachtet werden, dass dem Körper genügend Vitamin D zur Verfügung steht.

Auf unsere Teller gelangen zu viel Industriezucker, gesättigte Fettsäuren und tierische Speisen, aber zu wenig nährstoff- und vitaminreiche Nahrungsmittel. Inzwischen ist belegt, dass eine mediterrane Ernährung aus frisch zubereiteten Speisen, ungesättigten Fettsäuren, reichlich Obst, Gemüse, Nüssen, Fisch und Vollkornprodukten das Risiko senkt, an Herz oder Kreislauf zu erkranken. Viele Psychotherapeuten sind inzwischen davon überzeugt, dass die Ernährung auch einen Einfluss auf die seelische Gesundheit ausübt. Darüber, wie gross der direkte Zusammenhang wirklich ist, gehen die Expertenmeinungen auseinander.

Ernährung und seelische Gesundheit
Zahlreiche aktuelle Studien versuchen den direkten Zusammenhang zwischen Ernährung und Depression zu belegen. Deren Autoren sind der Meinung, dass die Ernährung stärker in den Fokus von Therapie und Prävention bei depressiven Störungen rücken sollte. «Man kann aufgrund verschiedener Untersuchungen davon ausgehen, dass fette, beispielsweise frittierte Speisen eher eine depressive Entwicklung fördern, während mediterrane Kost und eine Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Fisch und Vollkornprodukten schützend gegen eine Depression wirkt», schreibt beispielsweise Hubertus Himmerich in seinem Buch Winterblues. Andere Stimmen mahnen zur Vorsicht: «Die Entstehung einer Depression ist hochkomplex. Unzählige Faktoren beeinflussen sich gegenseitig. Um Ursache-Wirkungs-Beziehungen zweifelsfrei aufzuzeigen, müssten mehrjährige, randomisierte* Studien dazu durchgeführt werden können. Dies ist im Bereich der Ernährung in einer freiheitlichen Gesellschaft nahezu unmöglich», meint Dr. med. Christian Kämpf, Chefarzt im Psychiatriezentrum Münsingen. «Isst jemand ungesund, weil er depressiv ist und deshalb keine Kraft mehr aufbringt, sich etwas Frisches zu kochen - oder wird jemand depressiv, weil er ungesund isst? Führt der Stress, für den Lebensunterhalt genügend Geld zu verdienen, in eine Depression  - oder die ungesunde Ernährung, weil man sich gesunde Nahrungsmittel nicht leisten kann?» Christian Kämpf findet es gefährlich, voreilige Schlüsse zu ziehen. «Jahrelang waren Ärzte überzeugt, dass ein hoher Eierkonsum ein grosses Gesundheitsrisiko darstellt. Inzwischen ist diese Behauptung stark relativiert worden.» Dass ungesundes Essen Bluthochdruck, Diabetes, Herz- Kreislauferkrankungen und Gedächtnisstörungen ungünstig beeinflusst, ist aber auch für ihn unumstritten. Er warnt generell vor undifferenzierten Heilsversprechen.

Vitamin D
Weil der Körper zu wenig Sonnenlicht erhält, um Vitamin D3** selber zu produzieren, tritt im Winter oft ein Vitamin D-Mangel auf. Zurzeit erforschen Wissenschaftler das komplexe Zusammenspiel zwischen Ernährung, Immunsystem und seelischer Gesundheit. Eine depressive Stimmung aktiviert offenbar Entzündungsprozesse, umgekehrt wirken Entzündungen auf das Zentrale Nervensystem und damit auf die Entstehung von Depressionen. Vitamin D könnte über seine entzündungshemmenden Eigenschaften schützend vor Depressionen wirken. In einer grossen klinischen Studie erforscht zurzeit Heike Bischoff-Ferrari von der Universität Zürich, ob eine Vitamin-D-Einnahme das Risiko für Krebserkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und die Anfälligkeit für Infektionen erhöht. Einiges spricht dafür.
«Der positive Effekte von Vitamin D auf Muskulatur und Knochendichte ist nachweislich belegt», sagt Dr. med. Christian Kämpf. Deshalb verschreibt er seinen betagten Patient/-innen ziemlich grosszügig Vitamin D. Sehr viel Vitamin D ist in Lebertran enthalten. Ausserdem enthalten Aal, Austern, Fettfische, Rindsleber, Eier, Butter und gewisse Käsesorten (Emmentaler) Vitamin D. Nur wenige pflanzliche Lebensmittel enthalten Vitamin D. Dazu gehören Pilze, Spinat und Avocados.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren
In Ländern mit hohem Fischkonsum wie Japan, ist die Depressionsrate niedriger. Diese Beobachtung hat Wissenschaftler dazu veranlasst, den Zusammenhang zwischen mehrfach gesättigten Fettsäuren und Depressionen zu erforschen. «In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren tatsächlich vorbeugend oder sogar therapeutisch gegen Depressionen wirken.» schreibt Himmerich. Man vermute, dass diese Fettsäuren das Serotoninsystem beeinflussen, das eine wichtige Rolle in der Entstehung einer Depression spielt. Vor allem die Eicosapentaensäure benötigt unser Körper für wichtige Funktionen. Sie wirkt positiv auf das Immunsystem, die Blutgerinnung, den Blutdruck und gegen Herzerkrankungen. Hier kommt wieder der Fisch ins Spiel: Eicosapentaensäure ist vor allem in fetten Seefischen wie Lachs oder Atlantischem Hering zu finden. Sie gehört zur Familie der Omega-3-Fettsäuren und wird auch in Form von Kapseln angeboten.

Ernährungsempfehlung
Möglichst wenig:
• Fastfood, industriell hergestellte Lebensmittel, Frittiertes
• Industriezucker, Weissmehl, zu viel gesättigte Fettsäuren
• Fleisch und Fleischerzeugnisse

Massvoll:
• Poulet, Eier, mageres rotes Fleisch

Möglichst viel:
• Frisch zubereitete Speisen
• Obst, Gemüse, Hülsefrüchte
• Vollkornprodukte und Nüsse
• Ungesättigte Fettsäuren (Olivenöl, Rapsöl, Distelöl)
• Fettfisch (Aal, Heilbutt, Hering, Lachs, Makrele, Sardine, Thunfisch)

Eventuell zusätzlich zuführen:
• Vitamin D 
• Lebertran oder Kapseln mit Omega-3-Fettsäuren 

Gesundes Essen ist naturbelassen und wird frisch zubereitet. Wenn Alkohol konsumiert wird, sollte es Rotwein sein, der massvoll zum Essen getrunken wird.

Gemeinsam geniessen ist gesund
Essen soll Freude machen. Bei allen Ratschlägen für eine gesunde Ernährung darf nicht vergessen gehen, dass sich massvolles Geniessen ebenfalls positiv auf die seelische Gesundheit auswirkt. Umso mehr, wenn der Genuss einhergeht mit sozialen Kontakten. «Gute Diätempfehlungen kommen ohne Verbote aus», sagt Christian Kämpf. Er findet, dass Warnungen und rigide Diätvorschriften meisten kontraproduktiv wirken. Sie schüren Ängste und verleiten zu übertriebenem Verzicht und Isolation. «Was denken Sie? Was ist am wichtigsten für die körperliche und psychische Gesundheit: gesunde Ernährung, nicht rauchen, nicht trinken, sportliche Betätigung oder soziale Kontakte?», fragt mich Christian Kämpf. Tatsächlich: Soziale Kontakte haben die stärkste präventive Wirkung auf unsere Gesundheit. Dazu mehr im nächsten Beitrag.

Mirjam Andres, ©PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG

*Bei randomisiert kontrollierten Studien wissen sowohl Proband als auch Versuchsleiter nicht, ob der Proband zur Experimental- oder zur Kontrollgruppe gehört.
**Vitamin D kommt als Vitamin D2 und Vitamin D3 vor. Pflanzen bilden Vitamin D2. Vitamin D3 wird bei ausreichend Sonnenlicht vom menschlichen Körper selber produziert. Definitionsgemäss sind Vitamine lebenswichtige Stoffe, die der Körper nicht selbst bilden kann. Daher ist Vitamin D3 eigentlich kein echtes Vitamin. Wenn das Sonnenlicht fehlt, sollte dem Körper Vitamin D zugeführt werden.

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Quellen:

1Jacka et al. (2017). A randomised controlled trial of dietary improvement for adults with major depression (the „SMILES“ trial), BMC Medicine, 15: 23

Nervenarzt 2017, CME Zertifizierte Fortbildung: Ernährung und psychische Erkrankungen; Libuda, L., Antel, J., Hebebrand, J. & Föcker, M. (2017)Ernä

Universität Zürich, Gesund bleiben mit Vitamin D, Artikel über die ‘Studie zur Langlebigkeit’ von Heike Bischoff-Ferrari. Autorin Marita Fuchs http://www.news.uzh.ch/de/articles/2012/dreierpack-fuer-gesundes-altern.html

Winterblues, Das Wohlfühlbuch gegen die Herbst- und Winterdepression, Hubertus Himmerich

www.nu3.ch